Tod auf Raten oder doch lieber agil?

Haben Unternehmen in einem dynamischen, wettbewerbsintensiven Umfeld noch die Wahl: agile Unternehmensorganisation, ja oder nein? Ketzerisch könnte man sagen: Ja klar. Jedes Unternehmen hat die Wahl wie es sich aufstellt und am Markt agiert. Das Management trägt die Verantwortung und muss die Weichen richtig stellen.
Die Frage ist, wie lange es sich ein Unternehmen tatsächlich leisten kann, es nicht zu tun?
Es wird die Zeit kommen, in der Unternehmen feststellen werden, dass das agieren zunehmend schwieriger wird und manche Unternehmen in eine Art reaktiven Modus verfallen. Manche Unternehmen spüren diese Entwicklung sicher schon heute. Eintreten wird dieses Szenario ziemlich sicher dann, wenn die Umstellung auf ein agiles Organisationsmodell verschlafen wurde. Warum dies so sein wird? Weil der Markt sich mit großen Schritten in diese Richtung entwickelt und jeden ausschaltet, der es nicht merkt. Man muss nur mit offenen Augen durch die Welt laufen und die Bewegungen im Markt beobachten. In den letzten Jahren ist vieles sehr schnelllebig geworden. Produkte, die wir heute erwerben, sind morgen schon wieder veraltet oder erfahren ein „update“. Unternehmen, die heute Marktführer sind, stellen kurze Zeit später nur noch die Nebenrolle. Nokia ist ein gutes Beispiel.
Gab es in der Vergangenheit jemals eine Zeit, in der so viele Unternehmen in so kurzer Zeit mit so vielen neuen Produkten auf den Markt drängten? Oder ist diese Wahrnehmung rein subjektiver Natur und ich irre mich? Kunden und Unternehmen wachsen immer mehr zusammen, die Kommunikationswege werden immer kürzer und schneller. Die Feedbacksituation hat sich verändert. Feedbackschleifen erreichen die Unternehmen unmittelbar. Verbraucher verbünden sich auf Plattformen und bringen Unternehmen schneller und direkter unter Druck. Gab es das jemals zuvor in dieser Art und Weise? Ich kann mich nicht erinnern. Zumindest nicht in meinem kurzen Leben.
Unternehmen richten sich konkret auf die kurzfristige Befriedigung von Kundenbedürfnissen aus und agieren in immer kürzeren Produktzyklen. Ein gutes Beispiel dafür sind Branchen wie die Telekommunikations,- Lebensmittel,- oder Fahrzeugindustrie. Permanent neue Produkte oder Erneuerungen werden in kürzester Zeit auf den Markt gebracht. Aber auch die Pharma- oder Kosmetikindustrie und dutzende andere Branchen verkürzen die Zeiten zwischen Produktneuheiten. Auch wenn es manchmal keine echten Neuheiten sind. Eingepackt in neue Kleider lassen sich die Dinge oft besser verkaufen. Die Marketingmaschine läuft!
Für Unternehmen bedeutet dies im Umkehrschluss, zügiger handeln und strategisch neu denken zu müssen, flexibel und mit absolutem Kundenfocus. Die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen wird heute, genau in diesem Moment, zum Wettbewerbsfaktor Nummer 1. Nichts ist mehr so wie es einmal war. Die Ruhe aus dem letzten Jahrhundert ist vorbei. Lediglich Unternehmen, welche maximal anpassungsfähig sind, werden sich am Markt behaupten.
Agilität steht für echte Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und wird der Wettbewerbsfaktor der Zukunft sein!
Die Zeiten, in denen ausgeprägtes hierarchisches Denken an der Tagesordnung war, neigen sich dem Ende zu. Weisung und Kontrolle, als Zeichen des Misstrauens gegenüber den Mitarbeitern, ist nicht mehr zeitgemäß. Die Tayloristische-Management-Denke ist veraltet und stößt an ihre Grenzen. Eine Unterteilung der Menschen im Betrieb in Denkende und handelnde Personen führt zu einer erheblichen Verlangsamung der Unternehmen und zu einer ineffizienten Belegschaft. Wichtige Entscheidungen werden zu langsam, falsch oder gar nicht getroffen. Überbordende Führungsstrukturen erhöhen die Unzufriedenheit der Mitarbeiter, schränken diese ein, verkomplizieren die Kommunikationswege und führen zu erheblichem Effizienzverlust. Die Aufrechterhaltung von Macht und Einfluss in mittleren Führungsebenen lähmt die Strukturen innerhalb des Unternehmens. Das hindert die notwendige Weiterentwicklung im Sinne des Marktes. Ein Großteil des Personals dieser Führungsebene ist überflüssig geworden. Übertriebene hierarchische Strukturen führen zudem zur Verteilung oder Delegation von Verantwortung. Obwohl Verantwortung kein „Wanderpokal“ sein sollte, ist dies in Konzernen und größeren Unternehmen an der Tagesordnung.
Apple trennte sich von 4000 Mitarbeitern der mittleren Führungsebene!
Ein gutes Beispiel ist Apple: Apple trennte sich unter der Führung von Steve Jobs von rund 4.000 Managern der mittleren Führungsebene. Apple ist eine Erfolgsgeschichte, ohne jeden Zweifel! Unabhängig davon, ob man die Produkte mag oder nicht. Zum Artikel: https://www.scrumakademie.de/product-owner/wissen/ist-apple-wirklich-agile/
Unternehmen geraten zunehmend unter Druck ihre Strukturen und Vorgehensweisen zu überdenken. Globale Einflüsse aus Ländern wie beispielsweise China oder den USA bringen neue Erkenntnisse. Ein Blick in Richtung Silicon Valley verrät, dass eine agile Unternehmensorganisation dort heute Standard ist. Man redet nicht mehr darüber, man macht es einfach. Warum? Weil die Denkweise der Unternehmer und Mitarbeiter einfach so ausgerichtet ist! Agiles Arbeiten, unter Beachtung der entsprechenden Werte und Prinzipien, fördert die Produktivität und Kreativität der Mitarbeiter und bringt bessere Ergebnisse. Welches Unternehmen möchte das nicht?
Doch was bedeutet Agilität eigentlich konkret?
Agilität steht für die Fähigkeit von Unternehmen, flexibel auf ihre Umwelt zu reagieren und sich den gegebenen Markterfordernissen kurzfristig anzupassen. Das agile Manifest definiert eine Sammlung von Werten und Prinzipien als Orientierung. Es sind 4 Wertevorstellungen und 12 Prinzipien. Zum agilen Manifest: http://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html Das agile Manifest wurde zwar ursprünglich für die Softwareentwicklung geschrieben, kann aber auch für andere Branchen genutzt werden. Letztlich geht es um die Werte und Prinzipien die das agile Manifest vermitteln möchte. Im Kern geht es um
- die Art und Weise der Interaktion zwischen Menschen,
- die notwendigen Rahmenbedingungen für eine optimale Zusammenarbeit,
- das erreichen bestmöglicher Ergebnisse für den Kunden,
- in Verbindung mit technischer Exzellenz.
Agil sein heißt flexibel und anpassungsfähig zu sein. Im Sinne des Marktes und der Kunden. Hinzu kommen noch verschiedene agile Prozess- bzw. Produktentwicklungsframeworks wie beispielsweise Scrum oder Kanban.
Elementarer Bestandteil ist das agile Mindset als Basis für die Entwicklung einer agilen Organisation. Die Entwicklung genau dieses Mindsets in der gesamten Organisation ist essentiell für das Gelingen der agilen Transformation. Es ist eine Art Reise, die niemals endet. Dabei ist es wesentlich zu ergründen, welche Vorstellungen hinsichtlich des Umgangs mit anderen Menschen zu Grunde liegen und wie das Unternehmen zukünftig ausgerichtet werden soll. Eine absolute kunden- und mitarbeiterzentrierte Ausrichtung ist dabei unabdingbar.
Mein Fazit
Betrachten wir die Entwicklung der Märkte, die durch Themen wie eine differenzierte Erwartungshaltung an den Begriff Arbeit in der Bevölkerung, kurze Produktzyklen, hohen Wettbewerb und Fachkräftemangel gekennzeichnet sind, haben die Unternehmen in einem dynamischen und wettbewerbsintensiven Kontext mittelfristig keine Wahl: sie müssen alte, verkrustete Organisationsstrukturen aufbrechen und sich neu ausrichten. Die Unternehmen werden sich verändern müssen, um marktfähig zu bleiben. Andernfalls werden sie zunehmend Marktanteile verlieren oder aus dem Wettbewerb ausscheiden. Die Kernfrage ist, ob die Unternehmen dieses neue Umfeld erkennen, annehmen und zielgerichtet danach handeln. Ob diese Neuausrichtung dann agil heißen wird ist nebensächlich. Die Umstellung auf ein agiles Organisationsmodell kann jedoch eine potentielle Lösung sein.
Euer Lars Steinmann